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Arzt-Patienten-Verhältnis

Das Verhältnis zwischen Arzt und Patient ist bei Polio- und heute Post-Polio-Syndrom-Betroffenen manchmal mit Vorurteilen behaftet.

Aufgrund des raschen Verschwindens der Poliomyelitis in der Schweiz Anfang der 60er-Jahre wurde die Grundlagenforschung vernachlässigt und das Thema in der Ausbildung der Ärzteschaft nicht mehr behandelt. Beidseitiges Verständnis, Respekt und Toleranz können hier Wunder bewirken.

Einige Denkanstösse für Patient und Arzt

Der Patient …

  • erlebt Jahrzehnte nach der Polio-Erkrankung eine erneute Verschlechterung seines Gesundheitszustandes mit teilweise gleichen bzw. ähnlichen Symptomen wie bei der Erkrankung selbst.
  • findet für die erneute Verschlechterung seines Gesundheitszustandes keine erkrankungsspezifische Ursachenerklärung.
  • hat häufig keine Kenntnis vom und über das Post-Polio-Syndrom.
  • reagiert auf die erneute Verschlechterung seines Gesundheitszustandes wie auf die Primärerkrankung Polio, indem er sein Kräftepotenzial gegen die Schwäche bzw. zu ihrer Überwindung mobilisiert.
  • begegnet bei der Suche nach diagnostischer und therapeutischer Hilfe häufig Ratlosigkeit, Ignoranz und Diskriminierung.
  • nutzt seine eigenen Möglichkeiten zum Informationserwerb zu wenig oder gar nicht.
  • denkt nicht an die Möglichkeit, seinen Arzt beim lnformationserwerb aktiv zu unterstützen.
  • steht in einem doppelten Abhängigkeitsverhältnis, da Krankheit und Helfende oft über seine Lebensqualität entscheiden.

Der Arzt …

  • wird mit einem Krankheitsbild konfrontiert, für das sich unter Anwendung der üblichen diagnostischen Massnahmen keine Ursache findet, dessen Symptome aber auch eine Reihe anderer Ursachen haben können.
  • hat es gemäss Krankheitsbild mit einem hohen diagnostischen Aufwand zu tun, der nicht direkt zur Diagnose, sondern unbefriedigenderweise zu einer Ausschlussdiagnose führt.
  • begegnet beim Patienten Auswirkungen von Veränderungen, die altersbedingt und / oder primäre und / oder sekundäre und / oder Polio-Spätfolgen PPS sind. Oft werden nur die ersten drei Aspekte berücksichtigt.
  • stösst aufgrund des schwer fassbaren und uncharakteristischen Symptomkomplexes an die Grenzen seiner diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten.
  • ist nicht immer informiert, dass der PPS-Patient primär den diagnostischen Ausschluss anderer, oft gut behandelbarer, Krankheiten, in vielen Fällen eine individuell aufwendige und gelegentlich gar keine weitere Behandlung braucht.
  • kommt äusserst selten in die Situation, es mit einem Post-Polio-Syndrom zu tun zu haben.
  • hat es mit Patienten zu tun, für die es zur Einschätzung von Ausmass und Verlauf der Polio-Erkrankung nach Jahrzehnten meistens keinen Zugriff mehr auf alte Krankenunterlagen gibt.
  • kann von Patienten aufgesucht werden, deren Polio-Erkrankung anamnestisch wegen eines asymptomatischen oder abortiven Verlaufes nicht verifizierbar ist, die aber trotzdem unter dem PPS leiden.
  • trifft auf einen verunsicherten Patienten, der bei mangelndem spezifischem Kenntnisstand an einer echt somatischen Krankheitswertigkeit zweifelt oder sie nicht glaubwürdig vermitteln kann.
  • sieht sich bei informierten Patienten einer fertigen Diagnose gegenübergestellt, die er nicht selten auf das psychogene Gleis schiebt.
  • muss sich immer wieder entscheiden, ob weitere diagnostische Massnahmen unter Einbeziehung anderer Fachdisziplinen als der eigenen im Sinne von Differentialdiagnose und Therapie sinnvoll sind.
  • behandelt die PPS-Patienten oft falsch, weil er nicht zwischen primären und sekundären Polio-Folgen und dem Post-Polio-Syndrom unterscheidet.
  • ist bei der Gratwanderung zwischen Belastung und Überlastung des Patienten therapeutisch weitgehend eingeschränkt.
  • entschliesst sich nur schwerlich zu einem therapeutisch mehr oder weniger passiven Verhalten, auch wenn es wie im Falle des Post-Polio-Syndroms angebracht ist.
  • steht vor einem Patienten, den er behutsam an die Akzeptanz seiner neuen Mobilitäts- und Belastungsgrenzen heranführen muss.
  • berücksichtigt medizintechnische, lebensorganisatorische sowie soziale Hilfen nicht immer in gleichem Masse wie Medikamente und Physiotherapie.
  • hat es nicht leicht, an die benötigten fundierten PPS-lnformationen zu gelangen, da auch neuere Fachliteratur das Thema häufig ignoriert.