Durch die Impfkampagnen in den 50er- und 60er-Jahren wurde die Poliomyelitis bei uns praktisch aus dem medizinischen Alltag vertrieben. Das Wissen über diese Infektionskrankheit, ihre Folgen und ihre Therapie geriet in Vergessenheit und es wurde kaum noch etwas darüber gelehrt. In den letzten Jahren konnten aber viele neue Erkenntnisse über die Polio-Spätstadien und das Post-Polio-Syndrom gewonnen werden. Diese wichtigen Erkenntnisse – «was sollte man tun» und «was sollte man lieber nicht tun» – sind nicht nur in den physiotherapeutischen Abteilungen der Spitäler und vieler Reha-Einrichtungen, sondern auch in den Physiotherapieschulen weitgehend unbekannt.
Nach dem derzeitigen Stand von Wissenschaft, Technik und Langzeiterfahrung spielen heute Therapien auf neurophysiologischer Basis eine wichtige Rolle.
Optimale physikalische Behandlung
Ein optimales physiotherapeutisches Behandlungskonzept für ein bestmögliches Therapieziel sollte bei diesem Patientenkreis mindestens die folgenden Bereiche umfassen
- Erhalten von Muskelfunktion und Koordination
- Entspannung und Verbesserung des Muskelstoffwechsels
- Kontraktur- und Skoliosenprophylaxe
- Vegetative Stimulation
- Funktionsschulung
- Hilfsmittelerprobung und -versorgung
- Atemtherapie
Folgende Grundsätze sollten befolgt werden für eine optimale körperliche Behandlung (nach Gusowski 2012)
- Schwerpunkt liegt auf der ganzheitlichen Betrachtung des Patienten und seiner Probleme bei der Behandlung von Körperstrukturen
- Partizipativ orientierte Zielsetzung
- Entlastungstherapie vor Ausdauertraining
- Rekoordination der Muskeln, Ökonomisierung der Bewegung
- Reaktive Übungen und Reflextherapieansätze sind Widerstandsübungen vorzuziehen
- Kontrakturen- und skolioseprophylaktische Übungen
- Entspannung und Verbesserung des Muskelstoffwechsels
- Test von Hilfsmitteln, Ausrüstung und Ausbildung