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Geschichte

Poliomyelitis, oder auch Kinderlähmung, ist eine hoch ansteckende Viruserkrankung, welche bei 0.1-1% der Infizierten zu lebenslangen Lähmungen oder zum Tod führen kann.

In der Schweiz kommen dank der hohen Durchimpfungsrate seit 1989 keine neuen Fälle mehr vor.

Dies war ganz anders, als sich nach der Jahrhundertwende die Krankheitsfälle häuften. Nach kleineren Epidemien 1901 in Lommis (Kanton Thurgau), 1904 in Interlaken (Kanton Bern) und 1909/1910 um Pruntrut (heutiger Kanton Jura) sowie in Langenthal (Kanton Bern) wurde bei Kriegsbeginn im nahen Ausland 1914 die Poliomyelitis der Meldepflicht unterstellt, da man sich vor einer zusätzlichen Zunahme der Fälle durch Flüchtlingsströme und Truppenbewegungen fürchtete.

Nachdem die Befürchtungen zunächst nicht eintraten, kam es 1923 zu einer grösseren Epidemie mit schweizweit 257 Fällen. Alleine im Kanton Luzern wurden 77 und im Kanton Schwyz (insbesondere in Sattel) 23 Fälle gemeldet. Nur wenige Jahre später kam es 1929 erneut zu 229 (57 davon im Kanton Aargau) und 1931 zu 351 Fällen, wobei dieses Mal der Kanton St. Gallen mit 136 Fällen besonders betroffen war. Es gab kein Jahr mehr ohne neue Meldungen.

Von grossen Epidemien blieb die Schweiz bis 1936 verschont. In diesem Jahr und im folgenden stiegen die Zahlen jedoch massiv an mit je weit über 1000 Meldungen (1936: 1269, 1937:1494). Weitere Epidemien trafen die Schweiz 1941 mit 1479 Fällen, von welchen viele im Kanton Zürich auftraten, und 1944 (1793 Fälle) mit einem grossen Herd im Kanton Bern.

Die letzte sehr grosse Epidemie mit 1628 Fällen traf die Schweiz 1954, ein Jahr vor der Nachricht, dass ein wirksamer Impfstoff gefunden wurde. Bis dieser in der Schweiz eingeführt werden konnte, wurde es jedoch Ende 1956/Anfang 1957. Daher traten auch 1956 noch 973 Fälle auf. Danach zeigte die Impfung Wirkung, obwohl sie zu Beginn nur an vereinzelte Altersgruppen abgegeben werden konnte. Die Meldezahlen sanken rasch stark ab und nach Einführung eines neuen, besser verabreichbaren, Impfstoffes, konnten 1965, erstmals seit einem halben Jahrhundert, keine neuen Fälle mehr ausgemacht werden. Bis 1982 schwankten die Fallzahlen pro Jahr zwischen 0 und maximal zwei Fällen (insgesamt 12 Fälle). Seither gibt es in der Schweiz, mit Ausnahme eines Polio-Falles im Jahr 1989, welcher durch ein verändertes Impfvirus ausgelöst wurde, keine neuen Poliomyelitis-Fälle. Seit 2002 gilt ganz Europa als polio-frei und die Bemühungen der WHO gehen in Richtung einer polio-freien Welt im Jahr 2018.

Trotz der grossen Erfolge und der ausbleibenden neuen Fälle in der Schweiz ist auch heute eine konsequente Impfung gegen die Polio-Viren unerlässlich. Aufgrund der Flüchtlingsströme und den Tourismusbewegungen kann das Polio-Virus jederzeit in die Schweiz eingeschleppt werden. Nur schon ein einzelner Fall, welcher sich mit Lähmungen bemerkbar macht, bedeutet für die Schweiz 100 bis 1000 infizierte Personen (bei ca. 99% der Infektionen treten keine Lähmungen auf), welche wieder weitere Personen anstecken könnten. Bis die WHO ihr Ziel der Ausrottung der Polio-Viren erreicht hat, bleibt die Gefahr einer Epidemie auch für die Schweiz bestehen.

Um dies zu verhindern ist es sehr wichtig, dass eine hohe Durchimpfungsrate von mindestens 85% erhalten bleibt.

Poliomyelitis-Meldungen in der Schweiz zwischen 1913 und 1988