close menu

Osteoporose und Arthrose

Das Risiko, Osteoporose oder Arthrose zu entwickeln, steigt mit zunehmendem Alter. Menschen, welche aufgrund einer körperlichen Beeinträchtigung in ihrer Bewegungsfähigkeit eingeschränkt sind, sind besonders betroffen.

Post-Polio-Syndrom und Osteoporose

Durch eine Erkrankung an Poliomyelitis im Kindesalter ist aufgrund des fehlenden Muskelzugs oft bereits das Knochenwachstum (Länge und Breite des Knochens) beeinträchtigt worden. Durch die geringere oder fehlende Belastungsmöglichkeit wird der Knochenstoffwechsel beeinflusst. Dieser ist auch abhängig von Hormonen und der Durchblutung der Umgebungsmuskulatur. Letztere ist nach einer paralytischen Poliomyelitis oft ebenfalls reduziert.

Neben den allgemeinen Risikofaktoren für die Entwicklung einer Osteoporose (z. B. fortgeschrittenes Alter, weibliches Geschlecht, familiäre Vorbelastung, früh einsetzende Menopause, Rauchen, Alkoholmissbrauch) wirken sich die Muskelschwächen, die reduzierte Muskelmasse und die damit einhergehende Bewegungsbeeinträchtigung negativ auf den Knochenstoffwechsel aus. Die Folge ist ein erhöhtes Risiko für Osteoporose, während das Sturzrisiko ebenfalls schon erhöht ist.

Es gibt bisher nur wenige Studien, welche den Zusammenhang zwischen einer verringerten Knochendichte und dem Post-Polio-Syndrom im Fokus hatten. Die vorhandenen Untersuchungen weisen aber klar auf ein erhöhtes Risiko von Osteoporose bei Personen mit einem Post-Polio-Syndrom hin.

In einer irischen Studie wurde bei 96% der 50 untersuchten Personen mit PPS (Durchschnittsalter 60) eine verminderte Knochendichte nachgewiesen. Bei 56% wurde eine Osteoporose diagnostiziert (Tabelle 1) und bei 40% eine Osteopenie (eine Vorstufe der Osteoporose). In der Allgemeinbevölkerung (älter als 45Jahre) liegt das Risiko für eine Osteoporose dagegen lediglich zwischen 6.3 % und 9.7%; das Risiko einer Osteopenie für Männer durchschnittlich bei 24.3% und für Frauen bei 44.6%.

Tabelle 1: Osteoporose der Hüfte und Lendenwirbelsäule bei PPS-Betroffenen

Männer Frauen Total
vor der Menopause nach der Menopause
Stichprobengrösse 20 4 26 50
Osteoporose (Hüfte und / oder Lendenwirbelsäule) 35% 50% 73% 56%
der Hüfte 35% 25% 73% 54%
der Lendenwirbelsäule 30% 25% 58% 44 %

Zur reduzierten Knochendichte zeigte sich auch ein erhöhtes Sturzrisiko. 82% der Studienteilnehmenden (41 Personen) stürzten in den letzten fünf Jahren zwischen 2- und 5-mal, 64%  in den letzten 6 Monaten mindestens einmal. In der Allgemeinbevölkerung über 60 Jahren liegt das Sturzrisiko im Vergleich bei 3.6% innerhalb von 12 Monaten. Stürze bergen immer das Risiko eines Knochenbruchs, vor allem bei verminderter Knochendichte. Dies zeigte auch die Studie: 38% (19 Personen) erlitten Knochenbrüche, welche zu 73% durch solche Stürze entstanden sind (Mohammad A.F. et al., 2009).

In einer kanadischen Studie wurde ebenfalls die Häufigkeit von Osteoporose und Osteopenie in  Hüfte und Lendenwirbelsäule untersucht (164 Personen mit PPS). Auch dort wurde ein stark erhöhtes Risiko für eine verminderte Knochendichte, v.a. der Hüfte, festgestellt. Die Häufigkeit von Osteoporose in der Lendenwirbelsäule war im Vergleich zur Hüfte kleiner. Dies kann daran liegen, dass durch die häufig vorliegenden Skoliosen der Wirbelsäule die Messresultate verfälscht wurden oder darauf hinweisen, dass Osteoporose bei PPS ein Problem gewisser Körperregionen ist. Die Ergebnisse weiterer Studien zu anderen Erkrankungen deuten darauf hin, dass Personen mit Muskelschwächen der unteren Extremitäten ein erhöhtes Risiko für eine lokalisierte Osteoporose aufweisen und weniger für eine diffuse Osteoporose, welche die Lendenwirbelsäule und die Hüfte betrifft (Haziza et al., 2007).

Neben den bei allen Personen mit Osteoporose häufig von Brüchen betroffenen Knochen wie den Wirbelkörpern der Brust- und Lendenwirbelsäule, dem Kreuzbein, dem Sitz- und Schambein, dem Becken, dem Oberschenkelhals und den Handgelenken kommen bei Post-Polio-Betroffenen das körperferne Ende des Oberschenkelknochens und der Schienbeinkopf dazu.

Fazit

Auch wenn sich die Studien bezüglich der gefundenen Häufigkeit von Osteoporose und Osteopenie bei PPS-Betroffenen teilweise massiv unterscheiden, weisen doch alle auf ein stark erhöhtes Risiko einer verminderten Knochendichte bei PPS-Betroffenen hin. Es werden weitere Studien nötig sein, um das Osteoporose-Risiko für PPS-Betroffene genauer abschätzen zu können.

Post-Polio-Betroffene gehören aber eindeutig einer Risikogruppe hinsichtlich der Entwicklung von Osteoporose an. Verschiedene vorbeugende Massnahmen können das Risiko mindern. So können Hilfsmittel wie Orthesen das Stehen und Gehen ermöglichen und damit die Möglichkeit, die Belastung der Knochen zu fördern. Bewegungsübungen dürfen auf keinen Fall erschöpfend sein.

Wichtig ist, dass die Knochendichte gemessen wird, damit frühzeitig die Diagnose einer Osteopenie oder Osteoporose gestellt und falls nötig eine Behandlung eingeleitet werden kann. Daneben sollte die erhöhte Sturzgefahr so weit als möglich reduziert werden, indem die Sicherheit des Gangs trainiert wird und Stolperfallen vermieden werden.

Post-Polio-Syndrom und Arthrose

Es gibt kaum Studien, welche das Auftreten von Arthrose im Zusammenhang mit dem Post-Polio-Syndrom untersuchen. Grundsätzlich scheint es einen Zusammenhang zwischen neuro-muskulären Erkrankungen, instabilen Gelenken und der Entwicklung von Arthrose zu geben.

Bei Poliomyelitis sind häufig vor allem die Beine und der Rumpf von Lähmungen betroffen. Dies kann zu einer Verkürzung des betroffenen Beines und zu einer verringerten Muskelmasse führen. Bei Personen mit PPS kann dieser Muskelabbau noch weiter fortschreiten. Die Muskeln können somit ihre Aufgabe, die Gelenke zu führen und zu stabilisieren, nicht oder nicht mehr genügend wahrnehmen. Zusätzlich können «kompensatorische und anomale Bewegungsabläufe […] eine Fehlstellung bis zur Verschiebung im Gelenk bewirken» (Bundesverband Poliomyelitis e.V., 2016, S. 2). Dies führt zu einer Über- oder Fehlbelastung, welche eine verstärkte bzw. verfrühte Abnutzung der Gelenke zur Folge hat, und zwar auch der weniger oder nicht gelähmten Körperseite.

Menschen mit PPS weisen damit viel häufiger Arthrose auf, als die Allgemeinbevölkerung. Nach Täubel sind vor allem die Wirbelgelenke und die grossen Gelenke (Knie, Hüfte, Fussgelenke, Schulter) betroffen. Eine ältere Studie aus dem Jahr 1992 ist zum Ergebnis gekommen, dass von 61 untersuchten Polio-Betroffenen (Durchschnittsalter 49 Jahre) 68% eine leichte bis schwere Arthrose der Hand oder des Handgelenks aufwiesen. In der Allgemeinbevölkerung liegt das Risiko bei lediglich 30%. Risikofaktoren dafür waren ein höheres Alter, eine Schwäche der unteren Gliedmassen, der Gebrauch von Hilfsmitteln (v.a. Handrollstuhl, Krücken) sowie die Schwere der Bewegungsbeeinträchtigung (Werner et al, 1992).

Falls Sie unter morgendlichem Anlaufschmerz leiden, Gelenkschmerzen bei Belastung haben sowie Gelenkschwellungen, muss an die Möglichkeit einer Arthrose gedacht werden. Ihre Ärztin oder Ihr Arzt kann eine Diagnose stellen und Sie über Behandlungsmöglichkeiten aufklären.

Bei der Behandlung muss darauf geachtet werden, dass die Muskulatur nicht zu stark trainiert wird, da dies das PPS verstärken kann. Ein vorsichtiges Herantasten an die richtige Dosierung ist daher bedeutend für den Nutzen eines Trainings (Physiotherapie bei PPS). Bei der Einnahme von Medikamenten und bei Narkosen muss beachtet werden, dass PPS-Betroffene auf einige Wirkstoffe verstärkt reagieren. Bei einer operativen Behandlung muss zudem daran gedacht werden, dass zusätzlich eine Osteoporose bestehen könnte.

Für allgemeine Informationen über Osteoporose und Arthrose betreffend Ursachen, Symptome, Diagnose, Behandlung und Vorbeugung besuchen Sie bitte die Homepage der Rheumaliga Schweiz:

www.rheumaliga.ch/rheuma-von-a-z/osteoporose
www.rheumaliga.ch/rheuma-von-a-z/arthrose

Literatur

  • Bundesverband Poliomyelitis e. V. (2016). Post-Polio-Syndrom. Verfügbar unter: www.orpha.net/data/patho/Pub/de/Post-Poliomyelitis-Syndrom_DE_de_PUB_ORPHA2942.pdf
  • Haziza, M. et al. (2007) Osteoporosis in a postpolio clinic population. Arch Phys Med Rehabil. 2007 Aug;88(8):1030-5.
  • Kidd, D. et al. (1997). Late functional deterioration following paralytic poliomyelitis. QJM: Monthly J Assoc Physicians 90: 189–196.
  • Mohammad A.F. et al. (2009). High Incidence of Osteoporosis and Fractures in an Aging Post-Polio Population. Eur Neurol 2009;62:369–374
  • o.A. (2015). Post-Polio-Syndrom und Osteoporose. Polio-Nachrichten III / 2015. 7–10
  • Tahmasebi, M. N. et al (2017). Total Knee Arthroplasty in Severe Unstable Knee: Case-Report and Literature Review. Arch Bone Jt Surg. 5(1): 58–62.
  • Täubel, S. (n.d). Arthrose und die Besonderheiten ihrer Behandlung bei Patienten nach Poliomyelitis und mit Post-Polio-Syndrom. Verfügbar unter: polio-forum.eu/poliomyelitis/literatur-zum-problem-kinderlahmungsfolgen
  • Werner, R. A. (1992). Osteoarthritis of the Hand and Wrist in the Post Poliomyelitis Population. Arch Phys Med Rehabil (73): 1069–1072
  • Yoon, B.-H. et al. (2014). Total Hip Arthroplasty Performed in Patients with Residual Poliomyelitis: Does it Work? Clin Orthop Relat Res. 2014 Mar; 472(3): 933–940.